In Omapere das Anfertigen eines Maori-Knochenanhängers erlernen

eine Reportage von Eline Bakker

 

Unter Neuseeland-Besuchern sind Maori-Anhänger, ob aus Stein oder Knochen, mit Sicherheit ganz oben auf der Liste der beliebtesten Mitbringsel. Traditionell gibt es verschiedenste Motive, die früher bevorzugt aus Wal- und Vogelknochen, heute jedoch meist aus suppentauglichen Rinderknochen gearbeitet werden. Sie symbolisieren Mut, Schutz, Freundschaft und andere wichtige Dinge und es gibt sie in verschiedensten Qualitätsstufen in jedem Touristen-Shop Neuseelands zu kaufen. Keine Frage, so ein Knochenanhänger ist ein tolles Mitbringsel und sieht schick und irgendwie weltenbummlerisch, aus, wenn man ihn um den Hals trägt. Schade, dass die schicken Knochenteile zumeist aus Massenproduktionen in Asien stammen, anders wäre die große Nachfrage nach touristischen Billigprodukten auch kaum zu bewältigen.

 

bonecarving2-300

 

Mehr oder minder zufällig stolperte ich in Omapere, im hohen Nordosten, über eine alternative Möglichkeit zu einer ganz persönlichen, geschnitzten Halskette zu kommen. Die wunderschöne Gegend um den Hokianga Harbour erschien mir ein schöner Zwischenstopp auf dem Weg von Pahia zurück nach Auckland, und so kam es, dass ich mit Sack und Pack im Globetrekkers-Hostel einzog. Kaum hatte ich es mir mit Kaffee in einer Hostel-Hängematte gemütlich gemacht, kam ein Jeep die Auffahrt hinaufgefahren. Die freundlichen Hostelbesitzer machten mich mit dem Fahrer bekannt: James Taranaki, seines Zeichens ein waschechter (Halb-)Maori-Bonecarver. Nach einem festen Händedruck fügte dieser lachend hinzu, dass er eigentlich viel lieber Angler wäre, doch seine Frau bestehe völlig zurecht darauf, dass er ja etwas „Vernünftiges" machen müsse, um etwas Geld in die Kasse zu bekommen.

Sein breites Grinsen, als er mir erzählte, dass er auch Schnitzkurse gebe und mich gleich mitnehmen könne, strafte diese Geschichte Lügen, denn es war sonnenklar, dass er neben dem Angeln auch seinen Beruf liebt. Die gute Laune war ansteckend und so war ich, bevor ich mich versah, auf dem Weg in James' gastfreundliches Haus um einen Knochenanhänger zu schnitzen. Dort angekommen, machte ich mit seiner herzlichen Frau Charlotte und unzähligen Haustieren – allen voran einem wahnsinnig niedlichen Katzenbaby – Bekanntschaft.

 

bonecarving3-300

 

Die traditionellen Motive und Geschichten sind nach wie vor elementar in der Maori-Kunst des Bone Carvings und im Laufe des Tages sollte ich eine Menge darüber erfahren. Nichtsdestotrotz wird heute bevorzugt mit modernem Gerät auch an modernen Motiven gearbeitet. James drückte mir also seine Motivmappen in die Hand und meinte lakonisch, dass ich besser gleich von Fishhooks, Twists und Whale Tails Abstand nehme, wenn ich einen wirklich individuellen Anhänger wolle. „Just make your very own design, so it can tell other people something about who you are", philosophierte mein Gastgeber und lachte.

„Das kann ich nicht!" war meine erste Reaktion. Wie sollte ich Zeichen-Legasthenikerin denn bitte ein eigenes, kreatives Motiv entwerfen und dann auch noch fehlerfrei zurechtschnitzen? Doch es gab kein Erbarmen. James reichte mir Papier, Bleistift und Radiergummi und schon ging es los. Was wollte ich denn eigentlich? Ich blätterte durch einige Skizzenmappen, zeichnete vor mich hin, strich eine Menge wieder durch, aber brachte tatsächlich nach etwa einer Stunde etwas Eigenes aufs Papier, das sich gleich richtig anfühlte. „I told you you can do it!" lachte James und so ging es weiter an die eigentliche Schnitzarbeit.

Ausgerechnet die alten Bohrmaschinen eines befreundeten Zahnarztes sind das Hauptwerkzeug, das James in seiner Werkstatt verwendet. Besetzt mit Bohr-, Schleif- und Polierwerkzeugen dienen sie dazu, die gewünschte Form aus gebleichten und ausgekochten Rinderknochen herauszukitzeln.

 

bonecarving6-200

 

Die nächsten Stunden verbrachte ich sodann konzentriert bei der Arbeit. Mein Motiv wurde auf den Knochen übertragen, grob ausgesägt, feiner abgeschliffen und stundenlang von Maschine und Hand poliert – und zwar alles von mir selbst. Schnitzlehrer James zeigte höchstens dann und wann die richtige Handhaltung, beantwortete geduldig jede noch so doofe Frage oder stanzte ein besonders feines Loch, alles andere machte ich selbst. Und das alles, ohne dass mir der zunehmend dünnere Knochen unter der Hand kaputtgegangen wäre und ich ganz von vorne anfangen musste – wer hätte das gedacht? - Ich selbst jedenfalls nie und nimmer!

Langweilig wurde mir indes gewiss nicht. Die Arbeit nahm zwar viel Zeit in Beschlag, doch machte sie eine Menge Spaß. Beim leckeren Mittagessen – James selbstgefangener Fisch! - wurde ich von meinen Gastgebern mit Geschichten über die Maori der Umgebung unterhalten und im Laufe des Tages von Charlotte mit ausreichend Getränken und Gummibärchen versorgt, um den Knochenstaub davonzuspülen. Den Nachmittag verbrachten James und ich jeweils mit einem halbfertigen Anhänger auf der Terrasse mit spektakulärem Blick über die azurblaue Tasmanische See und den wunderschönen Hokianga Harbour. Hin und wieder wechselten wir ein paar Worte über den tollen Ausblick und die leichte Brise, doch stand das in meinem Falle zunehmend perfektionistische Schnitzen, Schleifen und Polieren, welches mich zunehmend in eine Art meditative Stimmung versetzte, im Vordergrund.

Am frühen Abend war es dann soweit. Ein letztes Aufpolieren im lauwarmen Wasserbad, ein von James angebrachter Faden und da war er – mein neuer Anhänger! Stolz wie Oskar zeigte ich ihn in den nächsten Tagen und Wochen überall herum, wo er angemessen bewundert wurde. Die schmerzende Hand und die vom Knochenstaub gepuderten Haare waren schnell vergessen.
Zurück bleibt ein toller Anhänger, der mich bis heute, anderthalb Jahre später, durch dick und dünn begleitet - und natürlich die Erinnerung an einen ganz besonderen Tag bei ganz besonderen Gastgebern!

Infos

bonecarving4-200Um mit Hilfe von James Taranaki euren individuellen Knochen zu schnitzen, schickt ihm einfach eine Email oder ruft ihn an, auch kurzfristig. Vorkenntnisse benötigt ihr keine, und ihr bekommt so lange Zeit, wie ihr braucht. Kurse finden ganzjährig statt, in kleinen Gruppen oder auch allein.

In der Kursgebühr sind Mittagessen und hin- und Rücktransfer von Hotels und Hostels in der Umgebung Hokiangas inbegriffen.
Start ist um 9.00 Uhr morgens (oder nach Absprache), das Ende ist dann, wenn euer Anhänger nach eurer vollsten Zufriedenheit fertiggestellt ist.

Kontakt:
James Taranaki
PO Box 104
Omapere, South Hokianga
New Zealand
Email: hokiangabonecarvingstudio@gmail.com
Tel: +64 9 4058 061

© alle Fotos: Eline Bakker